Urban Mining, Stadt als Rohstofflager Urban Mining, Stadt als Rohstofflager

Urban Mining – Die Stadt als Rohstofflager

Glas, Metall, Beton, Ziegel, Holz – in unseren Städten sind tonnenweise Rohstoffe verbaut. Beim Abriss geht der Schutt meist ins Downcycling. Das heißt, er wird als minderwertiges Füllmaterial im Straßen- und Erdbau verwendet. Doch wäre es nicht sinnvoller, das Material direkt vor Ort einfach weiter zu nutzen? Genau das ist die Idee von Urban Mining.

Steigender Rohstoffbedarf führt zu Rohstoffknappheit

Der weltweite Rohstoffbedarf steigt mit der zunehmenden Weltbevölkerung weiter an. Natürliche Ressourcen werden immer knapper. Dagegen hat sich ihr Verbrauch in den letzten 40 Jahren verdreifacht. Ebenso bewirkt die Erreichung der Klimaziele und die damit verbundene Entwicklung klimafreundlicher Technologien einen steigenden Ressourcenbedarf. Die Internationale Energieagentur beziffert den Anteil der sauberen Energietechnologien an der Gesamtnachfrage in den nächsten zwei Jahrzehnten auf über 40 Prozent für Kupfer und Seltene Erden, 60 bis 70 Prozent für Nickel und Kobalt und fast 90 Prozent für Lithium. Schon heute haben Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher die Unterhaltungselektronik als größten Lithiumverbraucher abgelöst. Die Diskrepanz zwischen den benötigten und verfügbaren Mengen dieser Rohstoffe vergrößert sich.

Aber auch die Bauwirtschaft boomt, die Städte wachsen über ihre Ränder hinaus. Rund 40 Prozent aller Rohstoffe werden im Baubereich verbraucht – und landen am Ende ihres Lebenszyklus auf der Deponie. Rein rechnerisch verbraucht jeder Einwohner in Mitteleuropa täglich etwa 40 Kilo Bodenschätze und Rohstoffe. Die Rohstoffvorräte wie Öl, Kohle oder Eisen in natürlichen Lagerstätten sinken immer weiter, die Preise hingegen steigen stark.

Aus alt mach neu

Dabei könnten viele Materialien wiederverwendet werden. Unsere Städte sind ein gigantisches Rohstofflager. Mit Urban Mining werden aus Dingen, die eigentlich Abfall sind, Rohstoffe gewonnen und damit neue Produkte hergestellt. So sinkt der Bedarf an neuen, teuren Rohstoffen aus der Erde, die Kosten für die Entsorgung des Mülls werden eingespart und das Klima geschont.

Der Kreislaufwirtschaft kommt eine zentrale Rolle bei der Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens zu. Durch mehr Kreislaufwirtschaft könnten bis 2035 jährlich 150 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.

In unseren Haushalten entstehen pro Jahr und Person fast 500 Kilogramm Abfall. Das meiste davon ist verwertbar. In deutschen Müllbergen ruht Schätzungen zufolge mehr Eisen, als das Land in einem Jahr verbraucht. Bau- und Abbruchabfälle machen hierzulande die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens aus. Dabei sind wir bei vielen Baumaterialien und Industriemineralien nahezu vollständig auf Importe angewiesen.

Was genau ist Urban Mining?

Nach dem zweiten Weltkrieg haben die sogenannten Trümmerfrauen Stein um Stein aus den zerbombten Gebäuden geborgen. Daraus entstanden neue Wohnhäuser und Fabriken. Der Ansatz des Urban Mining ist also nicht neu, aber über die Jahre in Vergessenheit geraten. Der Begriff bedeutet so viel wie Bergbau in städtischen Gebieten und kam in den 1980iger Jahren auf.

In Deutschland werden jährlich rund 1,3 Milliarden Tonnen an Materialien eingesetzt. Diese verbleiben oftmals lange Zeit in Infrastrukturen, Gebäuden und Gütern des täglichen Gebrauchs. So haben sich enorme Materialbestände angesammelt, die Potenzial als zukünftige Sekundärrohstoff-Quelle bergen. Diese Rohstoffmine unterteilt sich in acht Bereiche:

  • technische Güter im Hochbau
  • mobile Güter in Gebäuden (jeweils mit oder ohne Elektrogeräte)
  • Stromerzeugungsanlagen
  • Stromnetze
  • Fahrzeuge
  • Verkehrsinfrastruktur
  • Industrieanlagen
  • Maschinen

Säulen des Urban Mining

Gutes Urban Mining beginnt beim Design: Gebäude, Fahrzeuge oder Produkte sollten so gebaut sein, dass die darin enthaltenen Rohstoffe ohne teures, oft nicht rentables Recycling zurückgewonnen werden können. Dafür ist es notwendig, zu dokumentieren, was wo verbaut wurde.

Analog zum Bergbau braucht es auch für den Städtebau Techniken und Methoden, um Rohstoffe zurückzugewinnen. So beschäftigt sich die TU Bergakademie Freiberg bereits seit 1765 mit dem Auffinden, dem Abbau und Methoden der Aufbereitung für die Primärgewinnung von Rohstoffen. Heute wird an der Ressourcenuniversität entlang der Wertschöpfungskette gelehrt und geforscht.

Wertstoffe in Gebäuden, Produkten und der Infrastruktur zu erkennen, noch bevor diese zu Abfall werden, und sie zukünftig als Sekundärrohstoffe zu nutzen – das ist das Ziel von Urban Mining. Eine Energieeinsparung von 95 Prozent ist laut dem Gesamtverband der Aluminiumindustrie beim Recycling möglich. Für die Rückgewinnung von Sekundäraluminium werden zum Beispiel nur fünf Prozent der Energie eingesetzt, die für die Herstellung von Primäraluminium benötigt wird.

Zukunftstechnologien erzeugen steigenden Rohstoffbedarf

Allein in einem Windrad stecken etwa acht Tonnen Kupfer, bei großen Offshore-Anlagen sind es bis zu 30 Tonnen. Umso wichtiger ist es, Alt-Anlagen zu recyclen. Immerhin können heute 85 bis 90 Prozent einer Anlage wiederverwertet werden.

Rückbau Windenergieanlage, Teile am Boden

Für den Bau eines Elektrofahrzeugs werden etwa 100 Kilogramm Kupfer benötigt, rund doppelt so viel wie für einen herkömmlichen Mittelklassewagen.

Die sogenannten „anthropogenen“ Kupferbestände, die weltweit in Bauwerken, Infrastruktur und Produkten enthalten sind, sind fast genauso groß wie die geschätzten natürlichen Ressourcen.

Deutlich macht dies das Phänomen der „Schubladenhandys“. Im Jahr 2022 belief sich deren Anzahl laut Bitkom in Deutschland auf 210 Millionen Stück. Somit liegen hochgerechnet etwa 3.356 Tonnen Eisen, 1.520 Tonnen Magnesium, 1.388 Tonnen Kupfer, 1.403 Tonnen Aluminium, 3,57 Tonnen Gold und 1.947 Tonnen Silizium ungenutzt in Haushalten. Damit kann theoretisch der Materialbedarf für neue Smartphones für über 10 Jahre gedeckt werden.

Nachhaltiges Urban Mining

Mit Blick auf den zunehmenden internationalen Wettbewerb um Rohstoffe trägt die Nutzung von Sekundärrohstoffen zur Schonung natürlicher Ressourcen bei und reduziert die Abhängigkeit von Importen. Außerdem ergeben sich durch den Einsatz und die Aufbereitung von Sekundärrohstoffen wirtschaftliche Vorteile – etwa durch Kosteneinsparungen im Materialbereich.

Der EU Green Deal benennt zudem die Kreislaufwirtschaft als einen Weg, mit der die Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union reduziert werden können, um bis 2050 klimaneutral zu sein. Urban Mining ist Bestandteil einer Kreislaufwirtschaft, weil es zusätzliche Rohstoffquellen aufzeigt. Denn die Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft geht mit einem hohen Rohstoffbedarf einher.

Welche Hindernisse beim Recycling von Windkraftanlagen zu überwinden sind, lesen Sie in diesem Beitrag.

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Nachhaltigkeit

Die enviaM-Gruppe möchte bis 2040 klimaneutral sein.

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