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Wärmewende: So heizt Deutschland in Zukunft

Die Wärmeversorgung ist ein zentraler Aspekt der Energiewende und stellt eine bedeutende Herausforderung dar. Doch wie erreichen wir eine nachhaltige Wärmeversorgung und wie viel Power brauchen wir dafür? Prof. Dr. Mario Ragwitz, Leiter des Fraunhofer IEG, gibt uns einen Einblick in die Zukunft des Heizens und welche Entwicklungen wir erwarten können.

Wärmepumpen stehen aktuell im Rampenlicht und polarisieren gleichermaßen mit Lob und Kritik. Doch ist es überhaupt möglich, in jedem Gebäude Wärmepumpen zu nutzen?

Grundsätzlich funktionieren Wärmepumpen in fast allen Gebäuden. Bei einigen besteht noch ein gewisser Sanierungsbedarf. Wir brauchen Mindest-Effizienz-Standards, die wir aber in Zukunft über Sanierungszyklen ohnehin sehen werden. Eine Erhöhung der Sanierungsrate von aktuell 1 Prozent auf 2-3 Prozent wird auch nötig sein. Bei Neubauten entfällt dieses Problem. Und bei schwierigen Fällen der Sanierung, wie Denkmalschutz, gibt es immer noch die Möglichkeit, mit Biomasse, Pellets, oder sogar mit Wasserstoff zu heizen.

Irgendwo muss die Energie herkommen. Wie werden sich die Heizmethoden allgemein in Zukunft entwickeln?

Die Gebäude der Zukunft profitieren von verbesserten Dämmmaterialien, das reduziert den Bedarf an Heizenergie. Die Bereitstellung erfolgt effizienter bei niedrigeren Temperaturniveaus. Erneuerbare Energien, wie Solar- und Geothermie, speisen zentrale Fernwärmenetze. In weniger dicht besiedelten Gebieten werden wir auch auf dezentrale Wärmeerzeugungstechnologien zurückgreifen, vor allem auf Wärmepumpen. Einige unserer Kraftwerke, zum Beispiel Wasserstoff- und Biomassekraftwerke werden gleichzeitig Strom und Wärme erzeugen.

Welche Heiztechnologien werden in Zukunft eine herausragende Rolle spielen?

Um die Wärmeversorgung sicherzustellen, sind dezentrale Technologien und ein umfassender Ausbau der Wärmenetze unerlässlich. Eine Verdreifachung der Trassenkilometer steht bevor, wodurch deutlich mehr Kunden an Nah- und Fernwärmenetze angeschlossen werden. Eine Schlüsselrolle nehmen dabei Geothermie, Solarthermie sowie mittelfristige oder saisonale Speichertechnologien ein.

Wie wichtig ist dabei die Zusammenarbeit zwischen Politik, Wirtschaft und Netzbetreibern bei der Umgestaltung der Wärmeversorgung?

Im Bereich der Wärmeversorgung spielt die Zusammenarbeit zwischen Energieversorgern und Kommunen eine ganz zentrale Rolle. Die Lausitz ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Die Städte Spremberg, Weißwasser und Hoyerswerda mussten wegen des Kohleausstiegs gezwungenermaßen ihre Wärmeversorgung umstellen und auf neuen Energieträgern wiederaufbauen. Wichtig für die Wärmewende ist, dass wir die kommunalen Pläne bereits jetzt beherzt angehen. Große Kommunen über 100.000 Einwohner werden die kommunalen Pläne bis Juni 2026, die kleineren bis Juni 2028 erstellen.

Den gesamten PowerTalk mit Prof. Mario Ragwitz zum Thema Wärmewende gibt es im Video.

Im Rahmen des Gesetzes zur Wärmeplanung und Dekarbonisierung der Wärmenetze (WPG), das seit dem 1. Januar 2024 in Kraft ist, begleiten wir als enviaM-Gruppe Kommunen aktiv bei der Erstellung ihrer kommunalen Wärmepläne. Ziel dieser Initiative ist es, die Importabhängigkeit zu verringern, eine erschwingliche Wärmeversorgung für alle sicherzustellen und den Klimawandel einzudämmen. Kommunen mit mehr als 100.000 Einwohnern sind verpflichtet, eine Wärmeplanung bis zum 30. Juni 2026 zu entwickeln. Kleinere Kommunen, mit Einwohnerzahlen unter 100.000, haben etwas länger Zeit: bis zum 30.06.2028. Für kleinere Kommunen (voraussichtlich unter 10.000 Einwohnern) können Bundesländer eigene Regelungen festlegen und ein vereinfachtes Verfahren anwenden.

Rund 150 Städte und Gemeinden wurden in unserem Netzgebiet durch die Kommunalbetreuung seit Beginn 2023 zum Wärmeplanungsgesetz informiert und zu möglichen Fördermitteln beraten. Rund 90 Kommunen haben wir im vergangenen Jahr an Ingenieur-Dienstleister zur Fördermittelbeantragung vermittelt. Erste Kommunen beginnen jetzt mit der kommunalen Wärmeplanung. Derzeit beginnen einige Gemeinden mit den ingenieurtechnischen Bestandsanalysen und Berechnungen für ihre Wärmeplanung, wobei die enviaM-Gruppe entsprechende Daten bereitstellt und die Gemeinden bei konkreten Planungen unterstützt. Sieben Gemeinden identifizieren bereits Potenziale und entwickeln eine Strategie, die bis Herbst 2024 umgesetzt werden soll.

Um die Wärmewende in Mitteldeutschland zu beschleunigen, arbeitet die enviaM-Gruppe auch seit August 2023 mit der Tilia GmbH, mit Hauptsitz in Leipzig, zusammen. Beide Unternehmen forcieren Wärme- und Energielösungen für Kommunen, Wohnungswirtschaft, Bauträger sowie Industrie/Gewerbe. Ziel ist es, Wärme- und Energielösungen schnell zu entwickeln, zu planen und umzusetzen.

Prof. Ragwitz

Vita Prof Dr. Mario Ragwitz

Prof. Dr. Mario Ragwitz leitet seit 2019 das Fraunhofer Instituts für Energieinfrastrukturen und Geothermie (IEG) und ist Sprecher des Fraunhofer-Wasserstoff-Netzwerks. Als Full-Professor an der BTU Cottbus-Senftenberg und Honorarprofessor in Freiburg und Florenz, fokussiert er sich auf Energiesystemanalyse und -politik. Er berät Regierungen und internationale Organisationen. Er ist Mitglied des enviaM-Beirats.

Noch mehr Informationen rund um die aktuellen Entwicklungen der Energiewende gibt es in diesem Beitrag: Wie steht es um die Energiezukunft in Deutschland?

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