Trends der Windenergie
Im Jahr 2023 kam in Deutschland erstmals mehr als die Hälfte des Stroms aus erneuerbarer Erzeugung. Den größten Beitrag leisteten Windräder – knapp 31 Prozent steuerten On- und Offshore-Anlagen bei. Das ist eine beachtliche Leistung! Doch braucht es mehr als das, um dem Klimawandel effektiv entgegenzuwirken. Dabei schreitet nicht nur der Ausbau der erneuerbaren Energien – speziell der Windkraftanlagen – weiter voran. Auch in der Entwicklung innovativer Methoden zur Energiegewinnung gibt es Fortschritte. Wir stellen einige Trends der Windenergieerzeugung vor.
Wartungsschiffe einfach bei der Arbeit laden
Das niederländische Schiffsbauunternehmen Damen Shipyards Group gab zum Ende des Jahres 2023 bekannt, dass sie eine Produktionslinie von Wartungsschiffen für Offshore-Windkraftanlagen nun vollkommen elektrisiert haben. Die Ladestation der Schiffe liegt direkt an der Erzeugungsanlage selbst. Um die Offshore-Anlage und das Schiff mit dem entsprechenden Ladesystem auszurüsten, schloss sich die Damen Shipyards Group mit MJR Power & Automation zusammen, die bereits Erfahrung mit Ladevorgängen auf See haben.
Die Steuerung für den Anschlussvorgang befindet sich auf dem Brückendeck. Eine sogenannte ‚Gangway‘ verbindet das Schiff und die Windkraftanlage. Um maximale Sicherheit und effizientes Laden zu gewährleisten, hat MJR ein System entwickelt, das die durch Wellengang entstehenden Bewegungen ausgleicht. Der gesamte Vorgang bedient sich bereits vorhandener Infrastruktur und keines der Crewmitglieder muss das Schiff verlassen – kosteneffizient, schnell und sicher.
Das Service Operation Vessel (SOV) 7017 E misst 70 Meter Länge und 17 Meter Breite und bietet mit 60 Kabinen den benötigten Platz für die Crew-Mitglieder und Techniker. MJR arbeitet bereits daran, den dafür entwickelten 4 Megawatt (MW) Ladeanschluss auf 8 MW zu erweitern – damit könnten in Zukunft Schiffe von 90 Metern Länge geladen werden.
Neuartige Batterie
Die 15 MWh Batterie basiert auf Lithium-Eisen-Phosphat. Fast alle der Materialien sind recyclebar. Sie überstehen viele Ladezyklen und die Komponenten sind weniger kostenintensiv. Jedoch finden diese Akkus aufgrund der geringen Energiedichte bislang kaum Verwendung. Das könnte sich in Zukunft allerdings ändern.
Mit weniger Rotorblättern mehr Windenergie
Das weniger auch mehr sein kann, zeigt das ebenfalls in den Niederlanden ansässige Unternehmen TouchWind. Mit nur einem 200 Meter langen Flügel will das Start-Up Offshore-Windkraftanlagen revolutionieren. Insgesamt soll die Anlage nur knapp ein Drittel der bekannten dreiflügeligen Standardvarianten kosten – und das bei gleicher Leistung.
Die Anlage treibt auf der Meeresoberfläche und dreht sich ganz ohne Fernsteuerung in Richtung des Windes, sodass der Rotor dem Wind maximale Angriffsfläche bietet. Die Konstruktion ist am Meeresboden verankert.
Die See-Mühle ist so konzipiert, dass sie bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 252 Kilometer pro Stunde noch Strom produzieren kann. Zum Vergleich: Die geläufigen Offshore-Anlagen schalten bereits bei 90 km/h ab. Das liegt nicht nur an dem speziell für hohe Winde eingebauten Generator, sondern vielmehr an der Beweglichkeit der Anlage und der Lage des Rotors über dem Wasser.
Der Mast neigt sich bei geringen Windgeschwindigkeiten so, dass die Anlage schräg über dem Wasser hängt. Je stärker der Wind weht, desto weiter richtet sich der Mast auf, der Rotor dreht sich Richtung Himmel – ähnlich wie bei einem Helikopter – und bietet weniger Angriffsfläche. Ein zusätzliches Gewicht verhindert, dass die ganze Konstruktion abhebt und davonfliegt. Dadurch soll die Anlage schließlich zu fast jeder Zeit in Betrieb sein.
Grundgerüst neu gedacht: mit Pyramide statt Mast
Einen neuen Ansatz bei der Konstruktion von Offshore-Anlagen wählt das Unternehmen T-Omega aus Boston. Kostengünstig, stabiler auf See und einfacher im Aufbau seien Offshore-Anlagen, die statt eines Mastes auf ein pyramidenförmiges Gerüst setzen. Auch hier wird die Konstruktion am Meeresgrund verkettet. Mit vier Bojen – an jeder Ecke der Pyramide eine – wird die Anlage auf der Meeresoberfläche gehalten, sodass sie sich jederzeit in Windrichtung drehen und Strom produzieren kann. Gebaut, gewartet und repariert wird die Anlage nicht wie üblich am Produktionsstandort auf hoher See, sondern im nächstgelegenen Hafen. Eine deutliche Erleichterung im Vergleich zu bisherigen Offshore-Anlagen.
Im Dezember 2023 ging das Projekt in den nächsten Schritt der Testphase: Nun treibt ein Prototyp mit einer Größe von einem Sechzehntel des Originals vor der Küste von Massachusetts. In der Serienproduktion wird das Modell übrigens 119 Meter hoch und bis zu 1,8 Tonnen schwer sein. Trotz der Größe der Anlage lohnt sich die Produktion: Mit 5 US-Cent Stromentstehungskosten pro Kilowattstunde wäre sie fast so günstig wie entsprechende Photovoltaik-Anlagen.
Eine Windkraftanlage ohne Turbine?
Auch zu Lande entwickelt sich die Windenergiegewinnung weiter. Ein ungewöhnlicher Ansatz wird in Spanien verfolgt. Den Denkanstoß liefert der Einsturz der Tacoma-Narrows-Brücke im Jahre 1940. Dieser dient als Lehrbeispiel für Studenten, bei dem die Erbauer die Resonanzfrequenz nicht ausreichend berücksichtigt hatten. Kurz nach ihrer Fertigstellung versetzte sie der Wind in extreme Schwingungen, schließlich stürzte sie ein.
Diesen Effekt will sich das Unternehmens Vortex Bladeless zunutze machen und konzipiert die erste rotorlose Windkraftanlage. Die zylinderförmige Konstruktion, die eher einem Kaktus ähnelt als einem Windrad, nutzt die Schwingungen des Windes zur Energieerzeugung.
Laut den Herstellern ist sie vollkommen geräuschlos, ungefährlich für Vögel und spart Kosten. Der Prototyp Vortex-Nano ist 85 Zentimeter groß, in Masse produziert soll das Modell Vortex Tacoma 2,75 Meter messen. Dadurch könne die Anlage zukünftig ebenso in Wohnsiedlungen verbaut werden. Dort liegt auch ihr größtmöglicher Nutzen: in Verbindung mit Photovoltaik-Anlagen, die zumindest tagsüber die Windflauten kompensieren.
Wie zukunftsfähig diese Technologien wirklich sind, lässt sich kaum abschätzen.
Ein Erfolg solcher Innovationen ist schwer vorherzusagen. Zuerst muss das Modell seine Leistungsfähigkeit im Feld nachweisen und in der Produktion skalierbar sein. Hinreichende Belege dafür anzuführen, kann noch Jahre dauern. Schließlich ist das Produkt auch auf die Akzeptanz der Bürger angewiesen.
Auch wenn die meisten dieser Projekte noch in der Entwicklungsphase stecken, zeigen sie, dass es viele gute Ideen rund um die Energiewende gibt.
Mehr zur Windkraft allgemein und in der enviaM-Gruppe erfährst du auf unserer Internetseite.
Wie sich die Energiewende auf dem Wasser vollzieht, kannst du in diesem Blogbeitrag lesen. Und hier geht es zu den Zielen der Energiewende.