Wasserstoff: Power für die Energiewende?
Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft – insbesondere für energieintensive Industriezweige. Aber wie viel Power brauchen wir für die Nutzung von Wasserstoff? Prof. Dr. Mario Ragwitz, Leiter des Fraunhofer IEG, spricht mit uns über den aktuellen Stand und die Zukunft von Wasserstofftechnologie.
Warum spielt Wasserstoff bei der Energiewende eine wichtige Rolle? Wofür brauchen wir ihn, wenn wir doch erneuerbare Energiequellen wie Wind und Solar haben?
Wasserstoff ist vor allem dort notwendig, wo wir physische Energieträger brauchen, zum Beispiel in industriellen Prozessen. Dort ersetzt Wasserstoff z. B. Kohle. Er kann auch als Treibstoff für Schiffe, Flugzeuge oder Teile des Schwerlastverkehrs genutzt werden. Wo wir ihn nicht notwendigerweise brauchen, ist dort wo Prozesse auch elektrifiziert werden können. Beispielsweise im Individualverkehr oder bei der Wärmeerzeugung. In vielen Bereichen befinden wir uns beim Umstieg auf Wasserstoff noch in den Kinderschuhen. Gerade werden viele Technologien entwickelt, unter anderem für die Herstellung oder den Einsatz von Wasserstoff.
Was steht dem Ausbau der Wasserstoffnutzung im Weg?
Wir sprechen bei der Einführung von Wasserstoff oft von einem dreifachen Henne-Ei-Problem: Die Erzeugung, die Nachfrage und die Infrastruktur. Die Unternehmen in den jeweiligen Bereichen schauen aufeinander. Erzeugungsanlagen werden nur gebaut, wenn klar ist, dass die Infrastruktur und die Nachfrage da sind. Und umgekehrt werden wir nur in Nachfrage-Technologien investieren, wenn klar ist, dass es auch Erzeugungsanlagen gibt. Dieses Problem gilt es durch Regulierungen zu lösen, die verlässliche Rahmenbedingungen schaffen, das kann unter anderem durch internationale Energiepartnerschaften gelingen.
Was braucht es Ihrer Meinung nachum dieses Problem zu lösen?
Zuerst müssen wir eine verlässliche und planbare Nachfrage nach Wasserstoff schaffen. Unternehmen, die Wasserstoff produzieren, müssen mit den Netzbetreibern zusammenarbeiten und Netze für die Versorgung von Unternehmen ausbauen. Der Staat muss als entscheidender Koordinierungsakteur die Zusammenarbeit zwischen den Produzenten und den Netzbetreiben etablieren. Dazu muss er von gewissen Förderinstrumenten, wie den Klimaschutzverträgen des Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die Industrie, Gebrauch machen. Nur so können Unternehmen rentabel in die Wasserstoffindustrie investieren. Bundesbehörden sind dabei entscheidende Akteure, bei ihnen laufen Förderinstrumente und die Planung der Infrastruktur zusammen. Verfahren müssten beschleunigt und ausgebaut werden. Aber da wir uns noch so weit am Anfang dieser Technologie befinden, sollten wir auch mehr Demonstrationsprojekte auf den Weg bringen.
Gibt es solche Projekte in Deutschland?
In Deutschland gibt es sogenannte Reallabore. Zum Beispiel wird gerade das Referenzkraftwerk Lausitz gebaut, das erste Wasserstoffkraftwerk Deutschlands. Aber auch der Ausbau solcher Projekte bedarf der nötigen Infrastruktur. Wir müssen jetzt den Schritt durch das Tal des Todes bei solchen neuen Technologien wagen und sowohl bei Ausbau als auch Förderung Kontinuität schaffen.
Das gesamte PowerTalk-Video mit Prof. Mario Ragwitz zum Thema Wasserstoff gibt es hier.
Wasserstoff in der enviaM-Gruppe
In den letzten Jahren hat die Forschung auf diesem Gebiet stark zugenommen. Ein weiteres bedeutendes Beispiel hierfür ist das Wasserstoffdorf, welches MITNETZ GAS 2018 im Rahmen des Forschungsprojekts HYPOS:H2-Netz in Bitterfeld-Wolfen errichtet hat. Auf einem 12.000 Quadratmeter großen Gelände wurde die Verteilnetzstruktur entwickelt, Anlagen errichtet und Wasserstoffendverbraucher angeschlossen und versorgt. Dabei wurden neue Verlegetechniken, Materialien und Sicherheitstechniken getestet. Im Nachfolgeprojekt H2-Infra simulieren seit 2022 technische Endverbraucher auf dem Gelände die zukünftige Anwendung von Wasserstoff und liefern wertvolle Messdaten.
Mehr Informationen zum Thema Wasserstoff gibt es hier. In diesem Beitrag gibt Prof. Dr. Mario Ragwitz einen Einblick in die Zukunft des Heizens.